„Was hast du genau gesagt?“ Aktives Zuhören lernen in drei Schritten

von Anke Lüneburg

Richtig zuhören, ganz beim Gesprächspartner sein, der vor einem sitzt – das fällt vielen Menschen immer schwerer. Der Blick aufs Smartphone zwischendurch, beim passenden Stichwort schnell aufs eigene Thema lenken oder einen Ratschlag erteilen, ohne das Ende des Berichts abzuwarten – so verhalten sich inzwischen Privatleute genauso wie Führungskräfte.

Virginia Satir, die bekannte amerikanische Familientherapeutin hat folgende weisen Worte gesagt:

„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk,

das ich von jemandem empfangen kann, ist,

gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden.

Das größte Geschenk,

das ich geben kann, ist,

den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.

Wenn das geschieht, entsteht Kontakt.“

Das Zuhören, das Virginia Satir meint, ist das „aktive Zuhören“: Wirklich zuhören, sich in den Gesprächspartner einfühlen, zu verstehen, was er oder sie nicht nur sachlich, sondern auch emotional gemeint hat. Und damit sich in den anderen hineinversetzen können.

Also nicht:

  • Abwarten, bis man von sich selber reden kann
  • Sich mit den eigenen Gedanken beschäftigen
  • aus Höflichkeit so tun, als ob man zuhört
  • die Aussagen Ihres Gegenübers bewerten und ggf. sogar abwerten
  • das Verhalten und die Person kritisieren
  • mit Floskeln reagieren
  • bagatellisieren
  • Blickkontakt vermeiden
  • Ratschläge geben oder sogar belehren.

Aktives Zuhören ist nach Asmus J. Hintz unsere wichtigste Kommunikationsaktivität, die jedoch am wenigsten gelehrt wird. Aktives Zuhören hilft, eine schwierige Situation zu entspannen, weil man durch einen Perspektivenwechsel versucht, den Standpunkt des anderen einzunehmen und dadurch größeres Verständnis für dessen Sichtweise gewinnt (Hintz 2016: S. 273). Dieses ist insbesondere im Beruf als Fach- oder Führungskraft wichtig, um gut führen zu können.

Wie kommen Sie dahin? Gehen Sie die folgende drei Schritte mit:

Schritt 1

Seien Sie ganz im Raum, in dem Sie das Gespräch führen. Schalten Sie das Smartphone ab, leiten Sie das Telefon weiter und setzen Sie sich nicht an Ihrem Schreibtisch gegenüber, falls das Gespräch in Ihrem Büro stattfindet. Wenden Sie sich Ihrem Gesprächspartner körperlich zu, stellen Sie Blickkontakt her und senden Sie Signale der Aufmerksamkeit. So sorgen Sie für Entspannung bei Ihre, Gegenüber.

Stellen Sie ggf. Fragen zum Verständnis. Konzentrieren Sie sich ganz auf Ihren Gesprächspartner, lassen Sie sich nicht ablenken und stellen Sie sich selbst zurück. Achten Sie auf Ihre Gefühle und zeigen Sie, dass Sie zuhören wollen.

Zeigen Sie Interesse am Anderen und versuchen Sie, dessen Motive und Bedürfnisse kennenzulernen. Hier ist eine positive innere Haltung des Interesses an anderen und an deren Andersartigkeit wichtig: Respekt für das Anders-Sein. Daher: Haben Sie Geduld, auch wenn es schwerfällt, und unterbrechen Sie den anderen nicht! Auch nicht bei Vorwürfen oder Kritik – lassen Sie den anderen reden. Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und sich nicht von negativen Aussagen einnehmen zu lassen. Versuchen Sie das Positive am Gesprächspartner zu erkennen.

Halten Sie Pausen aus – Ihr Gegenüber braucht ggf. Pausen zum Nachdenken oder Formulieren einer Aussage. Oder er hat Angst und ist ratlos, wie er antworten soll.

Schritt 2

Während Ihr Gegenüber noch spricht, versuchen Sie, das Wichtige und Interessante herauszufinden und sich zu merken. Wer ist der Mensch hinter der Fassade? Welche Gefühle und Bedürfnisse hat er oder sie?

Wenn er oder sie alles gesagt hat, was er oder sie sagen wollte (in Ruhe zu Ende sprechen lassen, weder „abwürgen“ noch unterbrechen!), fassen Sie die Kernaussagen des anderen in eigenen Worten zusammen und fragen, ob Sie alles richtig verstanden haben. Stellen Sie ggf. Fragen, ob Sie etwas vergessen oder falsch verstanden haben.

Schritt 3

Da Sie aufmerksam zugehört und sich bemüht haben, sich in die Situation des Gesprächspartners zu versetzen, können Sie das verbal und nonverbal zeigen. Sprechen Sie Ihre eigenen Gefühle an und geben Sie die Gefühle des Gegenübers wider, äußern Sie dies ggf. als Vermutung.

Hier helfen zwei Methoden des aktiven Zuhörens:

Beim Paraphrasieren wird das Gesagte noch einmal in eigenen Worten wiedergegeben, z.B. durch folgende Einleitungen:

  • "Wenn ich Sie richtig verstanden habe, meinen Sie... ."
  • "Sie wollen wissen, ob…/wie…/was..."
  • "Mit anderen Worten..."
  • "Zusammenfassend meinen Sie..."  oder
  • "Das heißt also..."

Die Gefühle des anderen zu verbalisieren bedeutet, die eigene Wahrnehmung der Gefühle des anderen mit eigenen Worten zu umschreiben.

  • Sie können etwas feststellen („Sie haben Angst“),
  • etwas vermuten („Ich habe den Eindruck, dass Sie sich Sorgen machen“) oder
  • nachfragen („Nachdem Sie die Anweisung ausgeführt haben, waren Sie verunsichert, ob das richtig war?“).

Fazit

Durch diese drei Schritte haben Sie viel über Ihr Gegenüber gelernt, können ihn oder sie besser einschätzen und Ihr Verhalten entsprechend anpassen. Das nimmt viel Stress aus Gesprächssituationen, insbesondere in Unternehmen.

Ein abschließender Hinweis: Es gibt Situationen, in denen aktives Zuhören nicht angebracht ist. Dazu gehören

  • die Bitte um konkrete Informationen
  • eine aus Ihrer Sicht gute Lösung, die Sie durch das Gespräch erreichen wollen,
  • Ihre (momentane)nicht-Fähigkeit, helfen können oder wollen, weil es Ihnen z.B. an dem Tag nicht gut geht

die Fähigkeit Ihres Gesprächspartners, seine Gefühle und Bedürfnisse eindeutig auszudrücken – dann würde Ihr Paraphrasieren oder Verbalisieren belehrend und selbstgerecht wirken.

Probieren Sie es aus, z.B. im Alltag, wenn es passt und Sie Zeit und Geduld haben. Ein Anlass könnte das „Meckern“ Ihres Gegenübers sein, wo Sie sonst mit „Mecker doch nicht immer“ oder „Schon wieder bist du schlecht gelaunt“ reagieren würden. Sagen Sie doch mal „Du bist sauer“ oder „Du machst dir Sorgen“ – mal sehen, was dann passiert! Sie helfen so Ihrem Partner, eigenständig nach Lösungen oder Alternativen zu suchen.

Zu oft sollten Sie die Technik des aktiven Zuhörens im Alltag jedoch nicht einsetzen – dann wirkt sie nicht mehr. Und schließlich: Auch Sie brauchen ja mal einen echten Zuhörer oder eine echte Zuhörerin…

Quellenangabe:

Hintz, A.J. (2016): Erfolgreiche Mitarbeiterführung durch soziale Kompetenz. Eine praxisbezogene Anleitung. 3.Auflage. Springer Gabler Verlag, Wiesbaden.

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